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Konflikte wertschätzend lösen

und dabei für alle Seiten dazugewinnen

Ein Konflikt mit den Eltern, einem der Geschwister, der Partnerin oder unter Freunden ist fast immer verbunden mit Schmerz. Wir leiden, da uns die andere Person wichtig ist. Wir haben in diesem Moment auf der einen Seite nicht „nur“ eine Auseinandersetzung mit der Mutter oder dem Ehepartner, sondern empfinden auf der anderen Seite ja auch Liebe, wünschen uns Zuneigung, Anerkennung, Verständnis. Meist auch von der Person, mit der wir in diesen Konflikt geraden sind. 

Zusätzlich fühlen wir uns oft in die Vergangenheit zurückversetzt, in der wir ähnliche Situation(en) schon mal schmerzhaft durchlebt hatten. 

Beispiel eines Konflikts in der Partnerschaft

Nehmen wir an, zwei Eheleute sind sich über eine bestimmte Sache uneins. Falls sie es nicht schaffen, sich in diesem Moment sachlich darüber auseinanderzusetzen - was dann ein Streitgespräch wäre, anstatt eines schmerzverursachenden Konflikts -, nehmen sie diese Unterschiedlichkeit oder das Anders-Reagieren des/der Gegenüber persönlich. Jede/r fühlt sich angegriffen und greift dann selbst zu „Waffen“, um sich – manchmal auch schon präventiv – zu verteidigen. 

Angriff und Schutz in einem persönlichen Konflikt

Waffen können das sein, was wir sagen, wie wir es sagen, wie wir unsere Körpersprache und Mimik dabei gestalten, das Zuknallen einer Türe, das Abschotten hinter der Zeitung, verbale Aufkündigung der Liebe oder der Beziehung, Tassenschmeißen, körperliche Angriffe u. v. a.. 

Was hinter den persönlichen, gegenseitigen verletzenden Angriffen in Konflikten steckt

Hinter diesen Angriffen und Verteidigungen stecken immer verletzte Teile von beiden oder allen Beteiligten, und niemals der „gesamte“ Mensch mit all seinen Seiten. Wir kennen das aus dem Alltag, wenn wir sagen: „Auf der einen Seite möchte ich, auf der anderen Seite aber …“ Im Partnerschaft-Konflikt könnte das ähnlich lauten, wie: „Auf der einen Seite liebe ich Ihn, ein anderer Teil von mir möchte ihn mit seinen gepackten Taschen vor die Tür setzen!“

Häufig haben Verletzungen, die wir in einem persönlichen Konflikt fühlen, gar nichts mit der aktuellen Situation, mit der Gegenwart, zu tun. Denn frühere Wunden, die nicht richtig verheilt waren, können durch „Trigger“ wieder aufgerissen werden. Dann fühlen, spüren und reagieren wir mit einem Verhalten, das für unsere Verteidigung in früheren Situationen einmal hilfreich und deshalb wertvoll waren. Diese Seiten oder Teile in uns nennt man in der Teiletherpie-Schule des Inneren Familiensystems (IFS) deshalb auch „Beschützer-Teile“. Sie treten für uns ein, um uns in einer (damals) bedrohlich erscheinenden Situation zu schützen oder herauszuretten. 

Teile wie „Ninja“, „Mauer“, „Anwalt“ oder „Gärtner“ schützen in Konflikten

Ich zum Beispiel habe einen Teil, den ich die „Ninja-Kämpferin“ nenne. Ich bin so gut wie immer ruhig, auf friedliche Lösungen aus. Doch wenn man mit Nachdruck eine bestimmte Stelle von mir quält, kommt sie blitzschnell zum Vorschein und macht mit zwei, drei sehr deutlichen, scharfen Worten das Gegenüber mundtot. Mein Freund hingegen bevorzugt den Schutzteil „Mauer“. Dazu benötigt er nur die Zeitung beim Frühstück, hinter der er sich verschanzt oder das innerliche Abtriften in andere Welten, wenn er nicht mehr beteiligt sein will. Dann ist er irgendwie die Mauer. 

Andere haben vielleicht Teile, die man „Staatsanwalt“ nennen könnte. Sie reden – oft sehr nachdrücklich -, um für die eigenen verletzten Teile einzustehen. Wieder andere haben Teile, die man als „Gärtner“ bezeichnen könnte. Sie graben immer wieder alte Geschichten aus.

Wertschätzung der Teile und ihrer Strategien – auch in Konflikten

Wichtig dabei ist: all unsere Anteile sind absolut wertvoll und wertzuschätzen. Sie mögen auf den ersten Blick ärgerlich oder überbordend zu erscheinen. Doch sie haben alle gute Absichten. Wir alle haben sie. Wir haben sie und ihre Lösungs-Strategien in früheren Konflikten entwickelt, um verletzliche Seiten in uns zu schützen. Beschützerteile.

Häufig sind diese Strategien heute nicht mehr zieldienlich. Doch zur Zeit ihrer Entstehung waren sie es. 

Lösung von Konflikten in der Familie und in der Partnerschaft

1. Wertvolle Teile - unsere Verletzungen und Angriffe als etwas Menschliches und Wertvolles erkennen

Das zu erkennen ist der erste und ein wichtiger Schritt hin zur Lösung. Sehen Sie Ihre und die Teile Ihrer Mitstreiter nicht als etwas „Böses“, sondern als Versuch aus längst vergangenen Zeiten, mit Bedrohungen und Verletzungen umzugehen. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass Sie und Ihr Gegenüber aus mehreren Teilen bestehen: aus einem verletzlichen, aus einem beschützenden, aus einem liebenden und auch aus einem vernünftigen Teil. Um korrekt zu sein, aus vielen anderen mehr, die sich in anderen Situationen zeigen.

2. Raum und Zeit - nehmen und geben

Manchmal kann es hilfreich sein, die Konflikt-Situation räumlich zu verlassen, damit alle Beteiligten die Chance haben, runterzukommen, durchzuatmen. Auch um Tränen rollen zu lassen. Denn ein Konflikt mit einem geliebten Menschen ruft oft auch Traurigkeit hervor. Wer möchte sich schon mit seinen Liebsten streiten.

Laufen Sie ein wenig um den Block. Oder ziehen Sie sich in einen anderen Raum zurück. Teilen Sie das dem/der anderen mit: „Ich brauche gerade Zeit für mich. Lass uns später reden, okay?! Ich liebe Dich, aber ich brauche jetzt Raum für mich, um mich zu sortieren.“ 

In dieser Raum-Zeit, die Sie sich nehmen, können Sie in sich spüren. Vielleicht auch einen Schritt innerlich zurückgehen und die folgenden Punkte durchführen, durchdenken und gedanklich durchgehen.

3. Vogelperspektive - die Situation von außen betrachten und für die eigenen Teile aus einer selbstführenden Position sprechen

Auch wenn Sie durch diesen Konflikt, der sich da zwischen Sie geschoben hat, vielleicht Wut, Ärger, Enttäuschung, Traurigkeit, Schmerz fühlen, können Sie für sich aus einer sachlicheren Position sprechen. Wie gesagt, wir haben ja mehrere Seiten, Teile in uns. 

Der eine Teil ist vielleicht gerade ärgerlich und beschützt dahinter den verletzten Teil, der sich in eine ähnliche Situation aus früheren Zeiten versetzt fühlt. Gleichzeitig gibt es daneben Anteile, die wissen, wie es ist, sachlich für sich einzustehen. Selbst wenn Sie „erst mal so tun, als ob“ Sie sachlich wären, können Sie dadurch aufrecht und mit einem klitzekleinen neutraleren Überblick den Raum nutzen, um für sich zu sprechen. Und vielleicht sogar das Mitgefühl für Ihr Gegenüber auszudrücken. Ein Beispiel:

„Schatz, ich, bzw. ein Teil von mir fühlt sich gerade davon angegriffen, was hier passiert. Eigentlich ist mir gerade eher nach Schreien. Aber das hilft mir und uns nicht. Und möglicherweise geht es Dir ähnlich. 

Wir sind uns uneins und beide wohl verletzt. Ich möchte gerne für meinen verletzten Teil sprechen. Und vielleicht magst Du danach darüber sprechen, welcher Teil von Dir sich unverstanden oder verletzt fühlt. Und wenn nicht, ist das auch okay. Dann magst Du es mir vielleicht später erzählen.“

Dabei ist der Wortlaut hier nicht entscheidend, sondern, das Mitgefühl für Sie selbst und Ihre*n Partner*in oder Familienmitglied. Zu erkennen, dass dieser Konflikt ein Aufeinandertreffen von alten Verletzungen ist, die bestimmte Verhaltensweisen (Beschützerteile und Ihre Strategien/Muster) auf den Plan gerufen haben.

Allein dieser Switch von „aus den verletzten Teilen“ zu „für die verletzten Teile“ zu sprechen, bringt durch das erst mal grundsätzliche Verstehen und Verständnis mehr Ruhe in Ihr Inneres. Und oft auch in das Ihres Partners, Ihrer Schwester oder Ihres Freundes. 

4. Joda - Dem anderen aus der selbstführenden, für alle Seiten mitfühlenden, Position zuhören

Versuchen Sie, die verletzten Seiten des/der anderen - wie auch Ihre - mit offenem Herzen zu verstehen. Was ist seine Geschichte dahinter? Wo kommt die Re-Aktion her? Was verletzte sie dabei so? Hat das wirklich was mit heute zu tun? Mit Ihnen? Oder ist es eine alte Angst vor Verlust, Verletzung, Enttäuschen, o. ä.? 

5. Wichtige Wünsche - die Bedürfnisse hinter der Situation, hinter den jeweiligen Positionen und Themen teilen

Versuchen Sie gemeinsam herauszufiltern, welche Bedürfnisse Sie beide und Ihre verletzten Seiten haben. Bedürfnisse, die hinter dem Konflikt stehen. Zum Beispiel:

Der Konflikt geht darum, wer die Teller in die Spülmaschine räumt. Sätze wie „Kannst Du nicht mal …“ „Immer musst Du …“ fallen. Hier geht es wohl nicht um die Arbeit, zwei Teller von der Anrichte in die Maschine zu stellen. Sondern um das Gefühl, respektiert .. geliebt zu werden. „Ich bin Dir so wichtig, dass Du das ohne weiteres gerne machst, und es nicht (durchs Nichtmachen chefmäßig) an mich delegierst.“ Was zu Beginn jeder Beziehung oft keine Frage war.

Der Konflikt dreht sich darum, dass sich die Frau auf die Seite Ihres Vaters stellt, wenn es um die Auswahl der Schule für die gemeinsamen Kinder geht. Sätze wie „Dir ist Dein Vater wichtiger als ich“ oder „Wir sind alle auf diese Schule gegangen.“ fallen. Hier könnte das Bedürfnis des Partners sein, dass sie beide nun eine Einheit sind. Beide als Eltern, Ehepaar. „Wir sind ein Paar. Ich wünsche mir Deine Nähe, die Sicherheit, dass wir eine Gemeinschaft sind.“

6. Kreativraum - stellen Sie Ihre Situation auf

Dieser Punkt ist ein Extrabonbon, um Ihre wertzuschätzenden Anteile von außen mit Mitgefühl und Wertschätzung betrachten zu können. Hierfür brauchen Sie ein paar DIN A 5-Blätter oder – wenn Sie diese zuhause haben sollten, Moderationskärtchen - und zwei dickere Stifte. Setzen Sie sich an Ihren Esst- oder Wohnzimmertisch. 

Schreiben Sie jeder für sich auf je einen Zettel (im Querformat): Ihren Namen und „Selbst“ und legen Sie diesen im Raum dorthin, wo Sie in diesem Moment stehen.

Dies machen Sie nun mit jedem Teil, den Sie gerade bei sich jeweils wahrnehmen. Jeder Teil bekommt einen Platz.

Das „Selbst“ ist dabei die Position, in der Sie Ruhe, Überblick, Verständnis, Mitgefühl, Offenheit, Sicherheit fühlen. Ihre Mitte, von der aus Sie für all die Teile da sein können. Für Ihre Anteile und für die Ihrer „MitstreiterIn“.

7. Wünsche und Bedürfnisse erfüllen

Auch die Wünsche, bzw. Bedürfnisse der Teile mit den Verletzungen bekommen ein Kärtchen. Denn sie sind Ihre Lösung. So sehen Sie, was hinter all den anderen Teilen steckt. Das, was Sie und Ihr Gegenüber sich wünschen. 

Für sich selbst sorgen

Das Beste wäre natürlich, wenn wir alle unsere Bedürfnisse uns selbst erfüllten, so dass wir diese von anderen nicht mehr bräuchten. Deshalb ist ein erster guter Schritt, seine Teile und deren Bedürfnisse selbst zu verstehen, sie wertzuschätzen, mit sich selbst mitzufühlen und sich diese Bedürfnisse zu erfüllen. Sie können sich z. B. sagen: 

„Es ist erfüllend, wenn ich mir selbst mir Zeit schenke und es mir schön mache im Leben, in diesen Tagen, in dieser Situation. Dafür brauche ich grundsätzlich niemand anderes.“ oder 

„Ich finde mich gut, wie ich bin. Auch wenn andere mit der einen oder anderen Sache nicht einverstanden sind, anderes fordern. Ich selbst finde mich gut mit all meinen Seiten. Den guten und den herausfordernden. Ich bin ein netter Mensch. Und ich sorge dafür, dass diese Sicherheit keiner stören kann. Ich sorge für meinen sicheren, ruhigen Raum ohne andere für ihre Forderungen zu verurteilen.“

In diesem Moment holen Sie sich die Verantwortung über Ihre Gefühle zurück. 

Für meine Liebsten und deren Teile ein fürsorglicher Mensch sein

Und natürlich ist es für uns auch wichtig, mit den Menschen, die wir schätzen und lieben, in einer guten Verbundenheit, einem liebevollen Austausch mit Wertschätzung und Mitgefühl zu sein. Wir sind soziale Wesen. Wir wünschen uns Liebe, Anerkennung und Zeit mit unseren Lieblingsmenschen. 

Deshalb ist es in zwischenmenschlichen Beziehungen, wie in einer Partnerschaft oder in Familien wichtig, dass wir auch gegenseitig auf die Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Und wenn mir diese(n) Menschen mögen oder lieben, ist dies auch ein Einfaches, wenn wir in diesem Moment mit uns und unseren Bedürfnissen im Reinen sind. Wenn wir gut für uns sorgen. Uns nicht bedürftig fühlen. Deshalb ist der Punkt zuvor sehr wichtig. 


Wie wir mit Konflikten umgehen, die die andere Seite derzeit noch nicht lösen kann oder will

Gar nicht so selten finden wir uns in Konflikten wieder, die wir und meist auch die „Gegenseite“ – gerne gelöst hätten - schließlich schmerzen Konflikte, wenn wir unsere Gefühle nicht unterdrücken – jedoch beim Versuch der Lösung bei dem oder der anderen auf verschlossene Türen treffen. Oft steckt dahinter die Angst, sich mit dem Konflikt und allem, was dahintersteckt, inkl. den Schmerzen, auseinanderzusetzten. Das ist verständlich.

Wenn wir allerdings über den Zeitraum des Prozesses der Konfliktlösung hinausblicken, sehen wir, dass wir nach dem erst einmal unangenehmen Weg der Betrachtung große Geschenke erhalten. Wir erhalten eine gute Beziehung zu der bis dahin weggedrückten Person zurück, wir lernen viel über unsere und die Bedürfnisse des/der anderen und haben die Chance, diese für uns zu erfüllen.

1. Wie bewerten wir die ungelöste Situaion?

Bis beide Seiten jedoch den Mut aufbringen, sich vertrauensvoll dem Konflikt-Lösungs-Prozess zu öffnen, brauche wir einen Weg, selbst, persönlich, mit dem Konflikt umzugehen und diesen zumindest für uns selbst zu lösen. Das soll gehen? Ja, denn jedes Gefühl ist Ausdruck einer Bewertung. Wenn wir eine Situation auf eine bestimmte Art und Weise sehen und bewerten, „macht“ diese Bewertung was mit uns. Ein Bespiel:

Ein offenes Fenster ist erst mal nur ein offenes Fenster. Wenn wir die frische Luft genießen, haben wir dabei ein gutes Gefühl. Wenn wir dabei frieren, können wir uns sagen, „wie gut, dann trainiere ich mein Immunsystem“ und haben damit ein gutes Gefühl. „Welcher Depp hat das Fenster aufgelassen?“ oder „Mir ist kalt, ich werde bestimmt krank.“ ruft dabei eher negative Gefühle hervor.

So ist das auch mit Konflikten. Wir können uns fragen: „Was lerne ich daraus?“ „Welche Chance liegt darin, (erst mal) keinen Kontakt mehr zu dieser Person zu haben?“ Worin finden wir sogar einen Vorteil und damit ein gutes Gefühl dieser Situation gegenüber? Muss ich vielleicht endlich meinen eigenen Weg gehen. Mich unabhängig von der Person machen und dadurch über mich hinauswachsen?

2. Die andere Seite in Frieden gehen lassen

Die andere Seite in Frieden gehen zu lassen, mag erst einmal nach Vergebung klingen. Und Vergeben ist nicht immer einfach. Vor allem, wenn die/der andere etwas getan hat, was uns (nachweislich) Nachteile oder Schaden gebracht hat. Das kann eine körperliche Verletzung sein, Misshandlung oder eine materielle Übervorteilung, wie finanzieller Betrug. Wenn diese Dinge sich weiterhin auf das Leben auswirken (Sitzen im Rollstuhl; materielle Unsicherheiten) ist Vergeben nicht so einfach. Denn der Nachteil oder Schaden wirkt sich weiterhin spürbar auf das Leben aus.

Man kann jedoch für sich einen Weg des Friedens finden, indem wir versuchen zu sehen, dass die andere Person aus einem Grund der eigenen Unfähigkeit, mit bestimmten (Lebens)situationen fairer, menschlicher, umsichtiger umzugehen, gehandelt hat oder noch handelt. Nicht jeder Mensch traut sich – meist aus Ängsten, was einem begegnen könnte – ehrlich auf die eigenen schattenhaften Seiten zu blicken.
Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass die einen weiser und die anderen nicht so weise wären. Sondern, dass manche Menschen einfach mehr Angst haben können, als andere, den eigenen Schattenseiten zuzuwenden. 

Dieser Blick kann uns helfen, Frieden zu machen mit der Konfliktsituation. Wir können die andere Person loslassen. Ein stoisches „es ist wie es ist“. So ein wenig friesisch-herb. Dinge sind einfach. Geschichten bilden Menschen, Menschen bilden Geschichten, Geschichten bilden Menschen, … 

3. Die eigene Traurigkeit und Enttäuschung annehmen, verdauen und gehen lassen

Meist versuchen wir, unangenehme Gefühle zu verdrängen. Wer will sie schon spüren?! Das Ding mit dem Verdrängen ist nur, dass diese Gefühle immer wieder von unten aus dem Verließ anklopfen. Entweder so, dass es uns bewusst ist, oder so, dass wir andere Symptom nicht mit diesen ursächlichen Gefühlen in Verbindung bringen. Das können dann Phänomene wie z. B. (sehr laienhaft ausgedrückt:) „anatomisch nicht nachweisbare“ Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme sein. Dann tragen wir die Last auf den Schultern, machen uns Kopfzerbrechen oder es schlägt uns auf den Magen.
Deshalb ist das Gute am Verarbeiten von unerwünschten Gefühlen nicht nur, dass wir daran wachsen, diese Gefühle sich am Ende „verflüchtigen“, sondern, dass wir diese auch nicht mit körperlichen Phänomenen ausbaden. 

Welche Schritte können uns nun beim Loslassen, beim Trauern um diese Person und beim Umgang mit der Enttäuschung helfen?

1.  Gestehen Sie sich ein, dass Sie traurig sind. 

Das ist okay. Vollkommen normal in dieser Situation und es kann Zeit brauchen. Deshalb:

2. Nehmen Sie sich die Zeit. 

Traurigkeit verfliegt nicht von heute auf morgen. Auch nicht in unserer schnelllebigen Zeit. Manchmal kann das Loslassen auch Jahre dauern. Dann sind gute Freunde hilfreich, die in diesen Konflikt nicht involviert sind. Freunde halten, geben Rat, hören zu. Und wieder: halten. 

Ich selbst habe vor ein paar Jahren einen mir sehr wichtigen Menschen loslassen müssen, den ich unendlich geliebt und verehrt hatte. Ich habe lange Zeit gebraucht und mir gegeben. Jahre bis der letzte Schmerz verdaut war. Jedoch wurde dieser immer weniger intensiv. Auf einer Skala von 1 – 10 war der Schmerz zu Beginn bei 20! Nach einem halben Jahr bei 10. Nach einem Jahr bei 5 und nun, nach ca. 4 Jahren ist der Schmerz bei 2. Immer noch traurig. Aber aushaltbar. Friesisch-herb: Es ist wie es ist. Das gehört zum Leben, Menschen loszulassen.  

3. Erkennen Sie die Chancen hinter der Loslösung

Und jetzt kann ich sagen, dass es einer meiner wichtigsten Entwicklungsschritte in meinem Leben war, wie ich ihn nur alle Jahrzehnte erlebt hatte. Ich bin sogar ein wenig froh, dass ich mit diesem Menschen so gut wie nichts mehr zu tun habe. Manche Menschen muss man ziehen lassen, wenn Sie einem immer wieder Situationen des Schmerzes bescheren. Und oft erkennt man das erst, wenn man von außen auf die Situationen blickt. Vielleicht haben wir bis dahin jahrelang Anzeichen verdrängt, die immer mehr zu diesem großen Knall geführt haben. Jetzt kann man vielleicht klarer sehen. Erwachsener. Freier.

4. Nutzen Sie ein oder mehrere Rituale zum Loslassen

Leben ist das, was wir daraus machen. Und wie machen wir was daraus? In unserer Vorstellung. Mit unserem Gehirn, unseren synaptischen Verbindungen. Und diese „glauben“ alles, was Sie ihnen geben. Wenn Sie z.B. einen Liebesfilm ansehen, verschmelzen Sie. Wenn Sie einen Krimi lesen, fiebern Sie mit. Obwohl das doch alles nur Schauspieler sind oder Papier mit gedruckten Buchstaben. Doch in Ihrem Vorstellungsvermögen sind Sie mitten im Geschehen.
Und diese Vorstellungskraft können Sie sich zu Nutzen machen – durch Rituale. Sie könnten z. B. all das, was Sie schmerzhaft mit der Person verbinden, von der Sie sich lösen wollen, auf einen Zettel schreiben und diesen in Ihrem Garten oder anderswo im Freien verbrennen. Oder an einen Stein binden und in die Elbe schmeißen (bitte achten Sie dabei auf vorbeischwimmende Seevögel! ;)). Sie können diesen Zettel auch in Ihrem Blumenbeet beerdigen. 

Was oft hilfreich ist, ist, dem Geschenk, dass Sie durch die Person vor dem Auseinandertriften hatten, einen gesonderten Platz in Ihrem Herzen zu geben. Wenn Sie vor Ihrem Konflikt schöne Zeit hatten, verpacken Sie diese vielleicht mit einer imaginären Schleife und behalten Sie dieses Geschenk Ihrer gemeinsamen Geschichte in Ihrer Erinnerung und / oder in Ihrem Herzen.

Die Person, von der ich im letzten Abschnitt sprach, hat immer einen Platz in meinem Herzen. Als zauberhafter junger Mensch, wie ich sie /ihn kennengelernt hatte. So habe ich noch Liebe in mir für diesen Menschen. Das Geschenk unserer gemeinsamen Geschichte. Alles, was danach kam, beerdigte ich unter einem Blumenbeet. 

5. Die Türe offenlassen

Wir wissen nie, was die Zukunft bringt. Verändern wir uns? Verändert der andere sich? Wachen wir beide? Werden milder? Sehen Dinge mit Abstand und mit der Zeit aus einem anderen Licht?

Ich bin immer dafür, die Türe offenzulassen. Sich zu sagen, dass wir vielleicht nochmal zusammenfinden. Es gibt Paare, die nach zwanzig Jahren Trennung wieder geheiratet haben. Kinder, die wieder Kontakt zu Ihren Eltern aufnahmen oder umgekehrt. Freunde, die sich nach Jahren wieder annäherten.

Manchmal braucht es dann professionelle Unterstützung. Jemand, der vermittelt, mediiert, coacht oder therapiert, um alte Missverständnisse, Verletzungen und/oder anderes Ungeklärtes aufzulösen. Dann kann man wieder auf einen gemeinsamen Weg der Liebe, der Freundschaft und der Gemeinsamkeit finden.
Und auf jeden Fall braucht es den Willen, das Vertrauen wieder aufzubauen, Mut für Vertrauensvorschuss, damit wir uns dann wieder in Liebe öffnen, Hoffnung und die Vision, dass eine gute, gelingende, erfüllende Beziehung wieder gelebt werden kann.
 Auch das geht mit professionell geführten Gesprächen, die die ersten Wochen begleiten, oft mit mehr Sicherheit, Ruhe und dem gemeinsamen Blick von außen einher. 

Am Ende sind wir alle nur Menschen

Letztendlich kann man sagen, dass Konflikte zum Leben gehören. Sie sind menschlich. Und deshalb oft schmerzhaft. Aber es gibt Wege, sie zu lösen. Gespickt mit vielen wertvollen Geschenken. Erkenntnissen. Schritten des Wachstums. Und Möglichkeiten des Loslassens. Hin zu wieder mehr Durchatmen, Gelöstheit, Leichtigkeit und Lebenserfahrung. Und auch wieder hin zu einer erfüllenden, liebevollen Beziehung.

Von Herzen Ihnen einen guten Weg. Ihnen allen. Und ihnen ganz persönlich. 

Und wenn Sie Unterstützung wünschen, stehe ich Ihnen als Mediatorin, systemische Coach des inneren Familiensystems und Mensch mit meiner persönlichen und fachlichen jahrelangen Erfahrung, Ruhe und Wertschätzung sehr gerne zur Seite.

Herzlichst Ihre
Ana Prodinger


© Birgit Ana Prodinger 2023